Art. 50

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Wird der Landtag aufgelöst, so muss binnen sechs Wochen eine neue Wahl angeordnet werden. Die neugewählten Abgeordneten sind sodann binnen 14 Tagen einzuberufen.

Should Parliament be dissolved, new elections must be ordered within six weeks. The newly elected Members of Parliament shall then be convened within 14 days.


Autor: Peter Bussjäger. Zuletzt bearbeitet: 5. Februar 2016
Zitiervorschlag: Bussjäger, Peter, Art. 50 LV, Stand: 5. Februar 2016, in: Liechtenstein-Institut (Hrsg.): Online-Kommentar zur liechtensteinischen Verfassung, https://verfassung.li/Art._50

Entstehung und Materialien

Verfassung Hohenzollern-Sigmaringen § 113

KonV § 93

Verfassungsentwurf Prinz Karl § 41

Verfassungsentwurf Beck Art. 39

RV 1. Fassung § 49

RV 2. Fassung § 50

Bericht VK, S. 1

LGBl. 1921 Nr. 15

Literatur

Batliner, Martin, Die politischen Volksrechte im Fürstentum Liechtenstein, Fribourg 1993

Geiger, Peter, Krisenzeit. Liechtenstein in den Dreissigerjahren 1928–1939, Bd. 1, Vaduz 2000

Quaderer-Vogt, Rupert, Bewegte Zeiten in Liechtenstein, Bd. 2, Vaduz 2014

Wille, Herbert, Die liechtensteinische Staatsordnung. Verfassungsgeschichtliche Grundlagen und oberste Organe, LPS 57, Schaan 2015

I. Allgemeine Bemerkungen und Entstehungsgeschichte

§ 93 KonV sah vor, dass nach erfolgter Auflösung des Landtages binnen vier Monaten eine neue Wahl anzuordnen und die „neuerwählten Landtagsmitglieder“ einzuberufen waren. Innerhalb von vier Monaten hatte auch die Wiedereinberufung eines vertagten Landtages zu erfolgen.

In der Rezeptionsvorlage, der Verfassung des Herzogtums Hohenzollern-Sigmaringen, war in § 113 noch verankert gewesen, dass, wenn nach einer Auflösung des Landtages nicht innerhalb von drei Monaten Neuwahlen angeordnet wurden, der alte Landtag gleichsam wieder auflebte. Die Wiedereinberufung nach erfolgter Wahl hatte nach viereinhalb Monaten zu erfolgen.

Die Konstitutionelle Verfassung vereinfachte somit die Regelung der Rezeptionsvorlage, knüpfte allerdings an das Unterlassen der Anordnung der Neuwahl des Landtages keine Rechtsfolgen.

Der Verfassungsentwurf Prinz Karls übernahm in § 41 die Regelung des § 93 KonV unverändert. Im Entwurf Wilhelm Becks war indessen mit Art. 39 Abs. 2 eine ebenfalls ähnliche Bestimmung, jedoch mit deutlich kürzeren Fristen, vorgesehen: Die Anordnung der Neuwahl hatte innerhalb eines Monats zu erfolgen, die Wiedereinberufung des Landtages innerhalb von zwei Monaten. Damit wäre klargestellt gewesen, dass spätestens zwei Monate nach Auflösung des Landtages die Wiedereinberufung des neugewählten Landtages stattzufinden hatte. Eine im Grundsatz ähnliche Regelung war wie dargestellt in § 93 KonV verankert gewesen.

Die Regierungsvorlage Peers enthielt bereits im Wesentlichen die heutige Formulierung. Peer folgte in Art. 50 erster Satz LV dem Entwurf Becks, sah jedoch eine Frist von drei Monaten zur Anordnung der Neuwahl vor. Die Wiedereinberufung hatte innerhalb von einem Monat nach der Wahl zu erfolgen und knüpfte nicht mehr an den Zeitpunkt der Auflösung des Landtages an.

Umstritten blieben in der folgenden Diskussion[1] lediglich die Fristen: Es ging offenkundig darum, die kritische Zeit nach einer Auflösung des Landtages, in welcher das Land über kein arbeitsfähiges Parlament verfügt, möglichst kurz zu halten, andererseits sollte aber auch eine geordnete Neuwahl und Neukonstituierung des Landtages ermöglicht werden. Letzteres sprach dafür, die massgeblichen Fristen nicht zu kurz anzusetzen.

Die Verfassungskommission verkürzte die in der Regierungsvorlage vorgeschlagenen Fristen letztlich auf sechs Wochen bzw. 14 Tage.[2] Mit dieser Änderung wurde Art. 50 LV im Landtag beschlossen und kundgemacht. Seither ist die Bestimmung unverändert geblieben.

II. Auflösung des Landtages und Neuwahlen

Art. 50 LV knüpft daran an, dass der Landtag aus einem der in Art. 48 Abs. 1 oder 3 LV genannten Gründen aufgelöst ist, also entweder vom Landesfürsten oder auf Grund einer Volksabstimmung auf Abberufung des Landtages aufgelöst wurde. Ab der Auflösung existiert kein arbeitsfähiges Parlament mehr, lediglich der Landesausschuss (vgl. Art. 71 LV) tagt. Aus diesem Grund ist es geboten, dass der Zeitraum zwischen Auflösung und Wiedereinberufung des Landtages möglichst kurz ist (siehe die Ausführungen unter Kapitel I.).

Art. 50 LV trägt diesem Anliegen insofern Rechnung, als die „Anordnung“ der Neuwahl innerhalb von sechs Wochen erfolgen muss. Die Bestimmung wirft die Frage auf, ob auch die Neuwahl innerhalb der Frist von sechs Wochen stattzufinden hat oder ob lediglich innerhalb dieser Frist der Termin für Neuwahlen anzusetzen ist.

Das Organ, das die Neuwahlen im Sinne des Art. 50 LV anzuordnen hat, ist die Regierung. Sie ist auch sonst mit der Durchführung der Wahlen betraut. Deshalb ist zunächst ein Vergleich mit den gesetzlichen Rechtsgrundlagen anzustellen:

Art. 25 Abs. 1 VRG regelt unter dem Titel „Anordnung“, dass die Regierung den Tag für die Vornahme der Wahlen bestimmt. Das VRG versteht somit offenbar die Anordnung als jenen Zeitpunkt, an dem ein Termin für die Neuwahl des Landtages festgesetzt wird, nicht aber den Zeitpunkt, an welchem diese tatsächlich stattfindet. Die öffentliche Kundmachung dieser Anordnung hat wenigstens vier Wochen vor der betreffenden Wahl oder Abstimmung zu erfolgen.

Eine Angabe, wie lange die Frist höchstens dauern darf, ergibt sich aus dem VRG nicht. Sie ist für die ordentlichen Landtagswahlen auch insoweit nicht zwingend erforderlich, als sich aus Art. 47 LV ergibt, dass diese ordentlicherweise im Februar oder März stattzufinden haben.[3] Damit stellt sich die Frage, ob hier eine Regelungslücke vorliegt.

Gerade der Umstand, dass die Vakanz zwischen der Landtagsauflösung und seiner Wiedereinberufung möglichst kurz sein sollte, spricht dafür, dass innerhalb der von Art. 50 LV bestimmten Frist eben nicht nur die Ansetzung, sondern auch die tatsächliche Durchführung der Neuwahl liegt.[4] Auch ein Vergleich mit § 93 KonV bestätigt diese Meinung: Nach dieser Bestimmung war die Wahl innerhalb von vier Monaten anzuordnen und der Landtag innerhalb derselben Frist auch wieder einzuberufen. Es ist nicht anzunehmen, dass der Verfassungsgeber von 1921 hinter den erreichten Standard, nämlich eine fixierte Frist, innerhalb welcher der Landtag nach einer Landtagsauflösung wieder einzuberufen war, zurücktreten wollte. Die Änderungen der Verfassungskommission an der Regierungsvorlage, die zu einer Fristverkürzung führten, belegen ja, dass es dem Landtag ein Anliegen war, das neuerliche Zusammentreten des Landtages nach einer Auflösung möglichst kurzfristig erfolgen zu lassen.

Fraglich ist, was gilt, wenn die Frist von sechs Wochen nicht eingehalten wird.[5] Zweifellos verstösst ein Zuwarten der Regierung mit der Anordnung von Neuwahlen über die Frist von sechs Wochen hinaus gegen die Verfassung. Eine Verfassungswidrigkeit einer dann doch abgehaltenen Wahl des Landtags und eine sich daraus ergebende verfassungswidrige Zusammensetzung des Landtags kann jedoch nicht argumentiert werden: Dies würde die Situation, nämlich die Vakanz eines arbeitsfähigen Parlaments, noch verschärfen. Das verfassungswidrige Handeln der Regierung würde aber jedenfalls die Frage der Verantwortlichkeit gemäss Art. 28 StGHG (Ministeranklage) aufwerfen.[6]

Als Beispiele aus der Staatspraxis sind zu nennen, dass nach der Landtagsauflösung am 16. Juni 1928 Neuwahlen am 15. und 29. Juli 1928 abgehalten wurden.[7] Bei den Landtagsauflösungen 1957, 1989 („Staatsgerichtshofaffäre“) und 1993 (nach dem Misstrauensvotum des Landtages gegenüber Regierungschef Büchel) lagen zwischen der Landtagsauflösung und dem Zusammentreten des neu gewählten Landtages jeweils knapp weniger als zwei Monate.[8]

III. Einberufung des neugewählten Landtages

Art. 50 LV trifft keine Aussagen darüber, wer den neugewählten Landtag einzuberufen hat. Es gelten daher die allgemeinen Vorschriften des Art. 48 und 49 LV, die diese Aufgabe dem Landesfürsten übertragen. Er hat dafür eine landesfürstliche Verordnung zu erlassen, die wiederum der Gegenzeichnung des Regierungschefs unterliegt.[9]

Gegen die Unterlassung der Einberufung des neugewählten Landtages durch den Landesfürsten steht lediglich das Instrument des Art. 48 Abs. 2 LV (qualifiziert unterstütztes Verlangen des Volkes zur Einberufung des Landtages) zur Abhilfe zur Verfügung.

Fussnoten

  1. Diese kann allerdings nicht nachvollzogen werden, da der Bericht der Verfassungskommission zu den von ihr vorgenommenen Änderungen in Art. 50 LV keine Begründung enthält. Siehe auch Quaderer-Vogt, Bewegte Zeiten, Bd. 2, S. 276 ff.
  2. Auch in den „Bemerkungen zu den wichtigeren, in der Verfassung gegenüber den (sic!) mit den mit der Höchsten Vorsanktion versehenen Entwurfe vom Landtage beschlossenen Änderungen“ von Regierungschef Ospelt vom 10. September 1921 an den Landesfürsten ist nur lapidar davon die Rede, dass die Fristen um die Hälfte gekürzt worden seien.
  3. Batliner, Volksrechte, S. 119.
  4. In diesem Sinne Wille, Staatsordnung, S. 436, im Zusammenhang mit der Auflösung des Landtages auf Grund einer Initiative zur Abberufung bzw. Auflösung des Landtages. Wille führt auch aus (Fn. 283), dass in der jüngeren Praxis Neuwahlen nach Landtagsauflösungen stets innerhalb dieser Frist von sechs Wochen abgehalten worden seien. Laut BuA 2015 Nr. 110 zur geplanten Änderung des Art. 50 LV wurde die Bestimmung in der Praxis auch so verstanden.
  5. Der BuA 2015 Nr. 110, der eine Änderung des Art. 50 LV vorschlägt, wonach die Neuwahl innerhalb von acht Wochen seit Auflösung durchzuführen ist, spricht davon, dass die Frist von sechs Wochen „seit der Einführung der Briefwahl im Jahr 2004 eigentlich zu kurz“ sei. Die Vorbereitung und Durchführung der Wahl entsprechend dem VRG (Festsetzung Wahltermin, Kundmachung, Aufforderung zur Einreichung von Wahlvorschlägen, Eingang der Wahlvorschläge, Auflage, Einsprachefrist, Kundmachung der Wahllisten, Versand der Wahlunterlagen, Wahl) benötige acht Wochen Zeit.
  6. Es spricht nichts dagegen, dass diese Anklage, da sie ja vom aufgelösten Landtag nicht erhoben werden kann, vom dann neugewählten Landtag erhoben wird. Es müssen allerdings die engen Fristen des Art. 28 Abs. 2 StGHG (Anklage kann nur innerhalb eines Jahres, nachdem der zugrunde liegende Sachverhalt dem Landtag bekannt geworden ist, erhoben werden) bzw. Abs. 3 (Erlöschen des Anklagerechts, wenn seit der Begehung der Verletzung drei Jahre verstrichen sind) eingehalten werden.
  7. Geiger, Krisenzeit, Bd. 1, S. 98 f.
  8. Siehe auch Wille, Staatsordnung, S. 436.
  9. So auch die Staatspraxis. Vgl. die landesfürstlichen Verordnungen vom 22. Juni 1953 (LGBl. 1953 Nr. 8) und vom 24. September 1957 (LGBl. 1957 Nr. 18), die jeweils auf Grund von Neuwahlen nach Landtagsauflösungen erlassen wurden.

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